Erbkrankheiten beim Hund

Für Hunde sind bereits über 800 erbliche Krankheiten beschrieben und es werden jedes Jahr neue entdeckt.

Allgemeine Beschreibung

Es gibt Erkrankungen, die direkt auf einen bestimmten Defekt im Genom (Gesamtheit aller Gene) zurückzuführen sind; an vielen Krankheiten sind auch mehrere Defekte gleichzeitig beteiligt. Für andere Erkrankungen liegt eine sogenannte genetische Disposition vor. Eine derartige Kombination bestimmter Gene allein löst keine Krankheit aus. Trifft sie aber auf andere begünstigende Faktoren wie z.B. falsche Ernährung, erleiden Tiere mit dieser genetischen Konstellation schneller eine Krankheit als solche ohne.

Chromosomen nennt man die Einheiten, in denen ein Großteil der DNA als Träger des Erbguts in den Zellen vorliegt. Erbkrankheiten lassen sich danach unterscheiden, auf welchem Chromosom sie weitergegeben werden:  Bei Vererbung über „normale“ Chromosomen spricht man von „autosomalen“ Erbkrankheiten; diese Chromosomen gibt es in jedem gesunden Organismus jeweils doppelt. Wenn aber eines der Geschlechtschromosomen für eine Erkrankung verantwortlich ist, wird sie X- oder Y-chromosomal vererbt (weibliche Tiere besitzen zwei X-, männliche ein X- und ein Y-Chromosom). Außerdem können Erbkrankheiten dominant oder rezessiv vererbt werden. Da jedes Chromosom bis auf die Geschlechtschromosomen im Körper doppelt vorliegt, müssen bei einer rezessiven Erkrankung beide Gene defekt sein, damit sie zutage tritt. Bei einer dominanten Vererbung der Krankheit hingegen genügt ein krankes Gen, damit sie ausbricht. Es gibt auch Krankheiten, bei denen mehrere Gene parallel defekt sind (polygene Vererbung). Hier muss eine gewisse Anzahl beschädigter Gene aufeinander treffen, damit die Krankheit ausbricht.

Die autosomal-rezessiven Erbfehler machen den größten Anteil an Erbkrankheiten bei Hunden aus. Für viele Erkrankungen ist eine Erblichkeit zwar bekannt oder wird stark vermutet, der zugehörige Erbgang ist aber nach wie vor ungeklärt. Für wieder andere Krankheiten gibt es bereits Gentests, um sie nachzuweisen.

Übrigens: Defekte in der DNA und nachfolgende Erkrankungen können auch durch Umwelteinflüsse (z.B. Arzneimittel) oder Spontanmutation während der Trächtigkeit entstehen, sie sind also nicht immer vererbt!

Diagnose von Erbkrankheiten bei Hunden

Zum Aufspüren und Verständnis einer Erbkrankheit beim Hund sind besonders Stammbäume sehr hilfreich, in denen das Auftreten der Krankheit für jedes Tier einer Familie vermerkt ist. Durch zunehmende Inzucht gerade

Im Bereich der Rassehunde haben erbliche Erkrankungen stark zugenommen. Dem versucht man bereits mit Zuchtuntersuchungen und dem Zuchtausschluss erkrankter Tiere beizukommen. Manche Erbkrankheiten treten allerdings erst in Kombination mit Umweltfaktoren auf. Dies geschieht manchmal auch erst, nachdem das Tier bereits zur Zucht eingesetzt wurde.

Von Erbkrankheiten betroffene Welpen zeigen häufig verzögertes Wachstum und niedrigere Gewichtszunahmen als die Wurfgeschwister. Sie weisen oft

  • Augenveränderungen,
  • neurologische Störungen, also Störungen des Nervensystems,
  • ungewöhnliches Verhalten,
  • chronische Magen-Darm-Probleme und
  • Missbildungen

auf. Je nach Erkrankung werden sie sukzessiv schwächer und versterben noch in jungem Alter.

Im Folgenden sind einige Erbkrankheiten beim Hund kurz skizziert.

Art der Erbkrankheiten

Missbildungen

Syringomyelie: Verschiedene Hunderassen, insbesondere aber Kavalier King Charles Spaniel weisen eine Schädelmissbildung auf. Die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) kann dann nicht frei zirkulieren, wodurch sich die Druckverhältnisse verändern. Folgen sind starke Schmerzen und Juckreiz im Kopf- und Halsbereich.

Ellbogengelenksdysplasie (ED): Die ED setzt sich aus mehreren Krankheitsbildern zusammen, die unbehandelt in einer Schädigung des Gelenkknorpels (Arthrose) des Ellbogens münden. Genetische Faktoren sowie falsche Ernährung scheinen die Hauptrolle bei der Entstehung zu spielen. Bei Labrador und Golden Retriever gehört die Untersuchung auf ED zu den Zuchtuntersuchungen.

Hüftgelenksdysplasie (HD): Insbesondere beim Deutschen Schäferhund verbreitete Erkrankung. Anfangs besteht nur eine gewisse Instabilität des Hüftgelenks, später führt die HD zu starken Schmerzen und Arthrose.

Dermoidsinus: Diese Erkrankung tritt besonders bei Rhodesian Ridgebacks auf. Es kommt zu einer Verbindung der Hautoberfläche mit tieferen Gewebsschichten, teilweise bis zum Rückenmark, sowie zu Wirbeldeformationen. Infektionen bis hin zu Hirnhautentzündungen sind die Folge.

Brachyzephales Atemwegssyndrom: Bei brachyzephalen, also kurzköpfigen Rassen, wie Boxer, Mops, Bulldogge und Pekinese tritt diese Erkrankung auf. Durch den extrem kurzen und runden Schädel kommt es zu mehreren Veränderungen an den Atemwegsorganen: Die Nasenmuscheln finden zu wenig Platz, was den Luftstrom und die Thermoregulation (Temperaturregulierung) beeinträchtigt. Der weiche Gaumen ist zu lang, der Kehlkopf kann nicht normal funktionieren und die Luftröhre hat einen zu kleinen Durchmesser. Daraus resultieren schnarchende Atemgeräusche, Kurzatmigkeit und geringe Belastbarkeit. Bei hohen Temperaturen leiden die Tiere besonders, manche schlafen aus Luftnot im Sitzen und/oder mit geöffnetem Maul.

Portosystemischer Shunt: Beim portosystemischen Shunt handelt es sich um eine erbliche Blutgefäß-Fehlbildung in der Leber. Es kommt zu einer Verbindung des zuführenden Blutgefäßes, das Stoffwechselprodukte des Darms in die Leber transportiert und dem „normalen“ Blutkreislauf. Dadurch wird die Entgiftungsfunktion der Leber teilweise oder ganz umgangen, was zu sehr unterschiedlichen Symptomen führen kann. Von milden Erkrankungen, die nur durch Zufall entdeckt werden, bis hin zu sehr deutlichen Krankheitsanzeichen ist alles möglich. Betroffen sind viele verschiedene Hunderassen.

Krebserkrankungen (Neoplasien)

Viele Krebsarten haben eine genetische Komponente, wie das z.B. auch für den Brustkrebs beim Menschen bekannt ist. Da die Entstehung von Krebs noch immer nicht vollständig verstanden ist, werden mit Sicherheit in Zukunft weitere Faktoren bekannt werden.

Beispielhaft seien zu nennen

  • das Hämangiosarkom (bösartiger Tumor der Blutgefäßwand, oft in Milz, Herz oder Leber) bei Labrador Retriever, Deutschem Schäferhund und Boxer
  • das Hautmelanom (Hautkrebs) bei Airdale Terrier, Scottish Terrier, Spaniel und Schnauzer und
  • das Mammakarzinom (Gesäugeleistentumor) beim Beagle.

Stoffwechselstörungen

Viele Defekte an Enzymen z.B. für die Verdauung oder an anderen Stellen im Stoffwechsel werden autosomal-rezessiv vererbt. Haben die Tiere ein gesundes Gen, wird der Defekt in der Regel nicht bemerkt, weil geringe Mengen des Enzyms weiterhin hergestellt werden. Nur Tiere, bei denen beide Gene nicht ordentlich funktionieren, weisen ernsthafte Stoffwechselprobleme auf.

Bekannt sind die Vererbung von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) bei Wolfspitz und Samojede sowie der Ivermectin-Überempfindlichkeit bei Australian Sheperd, Collie und Sheltie. Ivermectin ist ein gängiger Inhaltsstoff von Entwurmungsmitteln, weswegen bei Hütehunden darauf geachtet werden sollte, diesen Stoff zu meiden oder die Unverträglichkeit vorher zu überprüfen.

Auch viele Autoimmunerkrankungen sind genetisch bedingt oder werden durch genetische Komponenten befördert. Dazu zählen z.B. atopische Dermatitis (stark juckende Hautentzündung), Pemphigus foliacaeus (ebenfalls eine Hauterkrankung mit Pusteln und Krustenbildung) und Lupus erythematodes (Autoimmunerkrankung, die viele verschiedene Körperzellen angreift und entsprechend unterschiedliche Symptome provoziert) bei verschiedenen Rassen. Von Lupus erythematodes sind z.B. Pudel, Deutscher Schäferhund, Collie, Beagle, Irish Setter und Afghanen häufiger betroffen.

Weitere Erkrankungen

Leisten- und Nabelbruch (Hernie): Bei einer Hernie treten Organteile durch eine normalerweise nicht vorhandene Pforte in andere Körperbereiche über. Bei einem Nabelbruch sind dann z.B. plötzlich Darmschlingen unter der Haut am Bauch fühlbar, bei einer Leistenhernie treten Darmschlingen in der Leistengegend an die Oberfläche. Dies kann je nach Schwere unproblematisch sein, bei Abschnüren der Blutgefäße aber kann der Darm ernsthaften Schaden nehmen, weswegen immer ein Tierarzt einen Blick darauf werfen sollte. Der Erbgang hierzu ist bisher noch unbekannt, die Erkrankung betrifft viele Hunderassen.

Dilatative Kardiomyopathie: Viele Rassen sind von dieser degenerativen Herzerkrankung betroffen, wobei verschiedene Erbgänge nebeneinander existieren. Häufig sind es aber noch eher junge Hunde großwüchsiger Rassen wie Bernhardiner, Deutsche Dogge oder Dobermann.

Magendrehung: An einer Magendrehung leiden insbesondere große Hunderassen. Der aufgegaste, überfüllte und dann um seine eigene Achse gedrehte Magen muss möglichst schnell vom Tierarzt behandelt werden, um ein Kreislaufversagen zu verhindern.

Cauda equina Syndrom: Diese Rückenerkrankung betrifft vor allem größere Hunde, kann aber bei allen Rassen auftreten und wird polygen vererbt. Es kommt zu einer Kompression des Rückenmarks durch die Bandscheiben, was Schmerzen und später auch Lähmungen verursacht.

Idiopathische Epilepsie: Idiopathisch bedeutet stets, dass die genaue Ursache (noch) unbekannt ist. Bei Epilepsie kommt es grundsätzlich zu einer exzessiven Aktivität von Gehirnzellen (Neuronen), was zu Krampfanfällen führt.

Narkolepsie: Dieses anfallartige Einschlafen, bei dem die Tiere aber aufweckbar sind, betrifft besonders Dobermann, Dackel und Labrador Retriever und wird autosomal-rezessiv vererbt.

Auch die Anfälligkeit für bzw. die Resistenz gegen Infektionskrankheiten kann erblich sein.

© AniCura

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