Wissensaustausch international - Praktikum in einer schwedischen Tierklinik

Für Viele ist es sehr leicht sich während des Urlaubes in ein anderes Land oder eine andere Kultur zu verlieben und sich auch auszumalen wie es wäre dort zu leben. Doch zum Alltag gehört auch, das Wohnen und Arbeiten um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ich für meinen Teil habe Schweden als mein neues, potenzielles Heimatland gewählt und mich gefragt, wie dieser Traum wohl umzusetzen ist? Nach zwei Urlauben dort habe ich das große Projekt in Angriff genommen, und mich nach einer Arbeitsstelle dort umgeschaut.

Doch wie arbeiten die Schweden eigentlich? Kann ich meine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten (kurz TFA, früher hieß der Ausbildungsberuf übrigens Tierarzthelferin) eins zu eins anrechnen lassen? Was brauche ich, um dort dauerhaft wohnen zu können? Zum Glück gehört Schweden zur EU und damit entfällt die Notwendigkeit eines Visums.

Wer ist hier eigentlich verliebt in Schweden? Ich heiße Jasmin Walther, bin 22 Jahre alt und bin seit Juli 2014 im AniCura Kleintierzentrum Neu-Ulm als TFA beschäftigt. Nach Beendigung meiner 3-jährigen Ausbildung im Juni 2017, gehören neben dem täglichen Assistieren in der Behandlung, hauptsächlich die Koordination und Terminplanung am Empfang zu meinen Aufgaben. Seit September 2017 bin ich Hygienebeauftragte, das bedeutet, ich bin verantwortlich für die regelmäßige Auffrischung und Kontrolle in Sachen Hygienemanagement im AniCura Kleintierzentrum Neu-Ulm.

Vorbereitungen für ein Praktikum in Schweden

Meine Planung für ein mögliches Praktikum in einer schwedischen Klinik begann im Oktober 2017, als ich den Kontakt zu Jannicke erhalten habe, meiner Ansprechpartnerin und potentiellen zukünftigen Praktikumschefin. Jannicke arbeitet in der  AniCura Tierklinik im schwedischen Göteborg  und leitet dort die Tiermedizinischen Fachangestellten. In Schweden wird der Beruf der TFA in zwei Bereiche unterteilt‚ einerseits in `Care Taker‘ zu deutsch Pfleger und andererseits in ‚Nurse‘ also Schwester. Ich vereinbarte mit Jannicke für November einen kurzen Kennenlerntermin in der Klinik vor Ort in Göteborg, um zu besprechen, wie sich das Praktikum dann gestalten könnte.  Am Ende des Besuchs haben wir uns auf eine zweiwöchige Praktikumszeit geeinigt, die ich nach Rücksprache mit meinem Chef in Deutschland entweder im Frühjahr oder im Herbst antreten konnte. Damit war zumindest der Praktikumsort geklärt, nun ging die Suche weiter: Nach einer Schlafmöglichkeit für die Nacht, einem günstigen Flug und natürlich auch etwas näherer Recherche über die Klinik. Mein Praktikumsbetrieb, die Klinik Västra Djursjukhuset (deutsch: westl. Tierkrankenhaus) liegt in Göteborg: dort arbeiten rund 80 Mitarbeiter und es umfasst auf zwei Etagen Röntgen, Ultraschall, ein CT, 4 Operationssäle sowie etliche Behandlungszimmer, Physioräume und Stationen für die tierischen Übernachtungsgäste. Ein bisschen Schwedisch habe ich mit Hilfe eines Buches natürlich auch angefangen zu lernen – wenn schon, denn schon.

Die Praktikumszeit

         Klinik
                       Die Tierklinik Västra im schwedischen Göteborg

 

Am 16.04.2018 war es endlich soweit: Ich war wirklich sehr aufgeregt und voller Vorfreude auf all die neuen Menschen, interessante Fälle und eine neue Sicht auf den Alltag in einer anderen Tierklinik. Was würde gleich sein und was ganz anders?

Dort angekommen wurde ich sofort herzlich in Empfang genommen und hatte immer eine englischsprachige Mitarbeiterin zur Seite. In jeden Bereich durfte ich mal hineinschauen, habe mitbekommen wie die Terminvergabe abläuft, die Behandlungszimmer gestaltet sind, was alles für eine OP vorzubereiten ist und wie der Alltag auf der Station funktioniert. Ich hatte sogar in dem großen, modernen Labor einen Schnuppervormittag. Die Zeit verging wie im Flug, aber ich merkte bald, wie viele Abläufe in der Klinik unterschiedlich gehandhabt werden: beispielsweise lehnt man in Schweden Patienten ohne Termin rigoros ab, was für uns in Deutschland unvorstellbar ist. Dort halten die Tierbesitzer ihren Liebling beim Röntgen selbst fest, die Tiermedizinische Fachangestellte (Nurse) nimmt das Blut beim Patienten ab (nicht wie hier der Tierarzt) und auch das Thema Antibiotika ist dort deutlich strenger geregelt (so selten und wenig wie nötig). Ebenso benötigt jeder Besitzer um zum Beispiel eine Entwurmungstablette abzuholen ein Rezept vom Tierarzt. Was hingegen gleich ist, sind ausführliche Beratungsgespräche mit dem Tierhalter über die verschiedenen Behandlungs- und Diagnosemöglichkeiten, es geht schließlich um ein Familienmitglied und hier unterscheiden sich schwedische Tierhalter nicht im Geringsten von deutschen. Glücklicherweise ist es in Schweden deutlich populärer seinen Schützling mit einer umfassenden Tierkrankenversicherungen abzusichern (beinahe 50 % aller Hunde und Katzen) als in Deutschland, was bedeutet das Thema Geld sorgt seltener für einen Disput zwischen Halter und Tierarzt. Gleich bleibt, dass es mal hektischer zugehen kann, wenn etwas länger dauert als geplant oder ein akuter Notfall dazwischenkommt. Was ich darum ganz besonders sympathisch finde, ist die Mentalität der Skandinavier: ‚In der Ruhe liegt die Kraft und nimm dir Zeit für eine Kaffeepause (schwedisch: Fika), wenn du sie benötigst!‘ Alle versuchen sich so wenig wie möglich stressen zu lassen und das ist nicht immer leicht beim oftmals hektischen Klinikalltag.

              Katzenstation
                                     Die Katzenstation der Tierklinik 

             OP    
                                     Ein Operationsraum der Tierklinik

             Behandlungszimmer
                                     Ein typisches Behandlungszimmer

 

Ausbildung und Berufsbild in Schweden

Das Bildungssystem unterscheidet sich gerade nach dem Gymnasium sehr von unserem: Für viele Berufe gibt es nicht die klassische Ausbildung, sondern gewisse Abstufungen beziehungsweise Qualifikationslevel. So auch bei den Tierkrankenschwestern in Schweden. Es gibt wie oben bereits erwähnt – eine generelle Unterscheidung zwischen Pflegepersonal und Medizinischen Fachangestellten (Nurse). Eine schwedische `Nurse-´ muss dortzulande für 3 Jahre die Universität besuchen, etliche Praktika und Prüfungen ablegen, bis sie in Level 3 angekommen ist. Was sie dazu befähigt das Narkosemittel selbst auszusuchen, zu dosieren und in die Vene zu geben. Auch darf sie das Tier alleine für die Operation intubieren, rasieren, waschen und lagern. Während der OP ist sie für das Überwachen der Narkose und das lebenswichtiger Organfunktionen zuständig, wie Sauerstoffsättigung, Temperatur, Atmung und vieles mehr. In Deutschland ist nach wie vor der Tierarzt für die Wahl der Narkose und das Durchführen der Injektion zuständig, aber meine Kollegen/-innen und ich dürfen viele der Tätigkeiten selbständig ausführen. Ich schätze mich deshalb sehr glücklich in meinem Team hier in Deutschland zu arbeiten, das wie eine Familie ist, wir uns jederzeit bereitwillig unterstützen, Lasten abnehmen, uns gegenseitig vertrauen und auch Dinge zutrauen. Auch weil wir, gerade durch AniCura, viele Chancen zur täglichen Verbesserung im Umgang mit den Patienten, sowie ihren Herrchen und Frauchen haben und auf einen großen Pool an Informationen und Fortbildungsangeboten zurückgreifen können.

Darum hoffe ich, dass noch vielmehr die Gelegenheit beim Schopf packen werden und sich trauen in einem anderen Land für die Weiterentwicklung ihres eigenen Teams frische Ideen zu sammeln. Denn nach diesem Auslandspraktikum haben wir hier gemeinsam für viele Neuerungen gesorgt und auch in Schweden waren die Kollegen sehr interessiert an meinen Erzählungen über die ‚Arbeitsweise der Deutschen‘.

Mich hat dieser Besuch darin bestärkt, eines Tages das Ziel in Schweden, oder allgemein Skandinavien zu leben, zu verwirklichen, allerdings habe ich bisher noch keinen genaueren Zeitpunkt festgelegt. Der nächste Urlaub geht auf jeden Fall wieder in den Norden!

© Jasmin Walther, Tiermedizinische Fachangestellte, AniCura
    Kleintierzentrum Neu-Ulm

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